Von Helmut Hahn
Der usbekische Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland, S.E. Dilshod Akhatov, forderte mich auf, mich um die Ernennung zum Wahlbeobachter bei den usbekischen Wahlen am 27.10.24 zur Legislativen Kammer des usbekischen Parlaments und zu den Volksvertretungen auf lokaler Ebene (Kengashes (councils) von Tashkent und 208 Distrikten) als internationaler Wahlbeobachter zu bewerben.
Grund für diese Aufforderung war der Umstand, dass die NGO „Deutsch – Usbekische Medizingesellschaft Koch – Avicenna“ e.V. im Rahmen ihrer Kooperation mit Usbekistan im Gesundheitswesen bei der usbekischen Regierung und der usbekischen Medical Community inzwischen ein erhebliches Vertrauenskapital aufgebaut hat.
Allgemeines:
Usbekistan ist eine präsidiale Republik mit einem Zwei – Kammer – Parlament. Mit 448 978 Quadratkilometern Fläche und einer Bevölkerung von 36,5 Millionen Einwohnern ist Usbekistan das bevölkerungsreichste Land Zentralasiens, ausgestattet mit reichen Bodenschätzen und einer jungen, zielstrebigen Bevölkerung.
An der sogenannten Seidenstraße gelegen, ist Usbekistan eine wichtiges Durchgangsland für Handelswege zwischen China und Europa.
Das Land befindet sich seit seiner Öffnung im Jahre 2016 in einer reformorientierten Umbruchphase unter der Regierung des Präsidenten Shavkat Mirziyoyev.
Usbekistan führte am 27.10.2024 Wahlen unter zum Teil neu gestalteten gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Legislativen Kammer des nationalen Parlaments (Oli Majlis) und zu den lokalen Volksvertretungen (Kengashes) durch.
Dabei wurden einige Neuerungen eingeführt, die als Meilensteine in dem laufenden Demokratisierungsprozess in Usbekistan angesehen werden müssen.
Dem Demokratisierungsprozess und seiner Wahrnehmung durch die internationale Staatengemeinschaft wird große Aufmerksamkeit gewidmet; dem entsprach die Sorgfalt bei der Vorbereitung der Wahlen.
So schreibt der Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission, Zayniddin Nizamkhodjaev, in seinem Grußwort zur Wahlhelfer – Broschüre „Guidelines for Foreign (International) Observers“ die Einschaltung internationaler Wahlbeobachter diene dazu, „die Bedeutung von internationaler Kooperation und Erfahrungsaustausch bei der Stärkung demokratischer Institutionen zu stärken“. Der Bedeutung dieser Wahlen entsprechend, sollten internationale Wahlbeobachter den Wahlprozeß beaufsichtigen, um auf diese Weisen möglichen Manipulationen des Wahlergebnisses entgegenzuwirken.
Als Vorsitzender der Deutsch – Usbekischen Medizingesellschaft Koch – Avicenna (DUMG-KA) e.V. bewarb ich mich um die Rolle eines Wahlbeobachters, um auf diese Weise einen Beitrag zum usbekischen Demokratisierungsprozess zu leisten.
I.
Wahlen:
Die Wahlen vom 27.10.24 standen unter dem Motto:
„My choice- my prosperous homeland“.
Es waren zu wählen:
a) 150 Abgeordnete für die Legislative Kammer des Parlaments (Oli Majlis)
b) sowie Abgeordnete für die Kengashes (councils) von Tashkent und 208 Distrikten.
Insgesamt hatten sich 5 Parteien zur Wahl gestellt:
- O´zlidep,
- Milliy Tiklanish demokratik partiyasi ,
- O´zbekistan Ekologic partiyasi,
- O´zbekistan xalq demokratik partiyasi,
- Sotsial Demokratik Partiyasi.
Alle Parteien gelten als regierungsnah; eine parlamentarische Opposition im westlichen Sinne existiert nicht.
Innovationen bei der jetzigen Wahl waren:
- Gleichberechtigung von Frauen am politischen Prozess: So mussten 40% der von den politischen Parteien aufgestellten Kandidaten für die beiden Kammern des Parlaments Frauen sein, und der Prozentsatz von Frauen unter den Abgeordneten in den Kengashes musste ebenfalls 40%betragen.
- Ebenfalls innovativ war, dass bei den Wahlen zur legislativen Kammer des Parlaments 75 Abgeordnete in direkter Wahl und 75 Abgeordnete im Verhältnis zum Abschneiden der politischen Parteien zu wählen waren.
Rolle der Internationalen Wahlbeobachter:
Es waren insgesamt 427 internationale Wahlbeobachter für 11028 Wahllokale vorgesehen, um das Wahlergebnis als internationalen Standards entsprechend zu legitimieren. Die Wahlbeobachter waren durch die Zentrale Wahlkommission aus einer Gruppe von Bewerbern ausgewählt und nach Durchlaufen eines Prüfungsprozesses offiziell registriert worden.
Vorbereitung der internationalen Wahlbeobachter:
Die Zentrale Wahlkommission hatte eine Broschüre „GUIDELINES for FOREIGN (INTERNATIONAL) OBSERVERS) herausgegeben, in der Informationen über das politische System Usbekistans und das Wahlsystem sowie Richtlinien für die Internationalen Wahlbeobachter unter folgenden Punkten zusammengefasst waren (Inhaltsverzeichnis der Broschüre):
- Welcome from the Chairman of the Central Election Commission of the Republic of Uzbekistan
- Introduction
- Overview of the Political Situation
- Legal Framework and System of Election Commissions
- Process of Organizing Election
- Election Day
- International Observers.
Dieser Teil der Broschüre enthielt genaue Angaben zu den Rechten und Pflichten der internationalen Wahlbeobachter und eine Beschreibung der Wahllokale, ihrer Besetzung mit Wahlhelfern und aufsichtführenden Personen aus den 5 zur Wahl anstehenden Parteien sowie zu ihrer Ausstattung mit Wahlkabinen und Wahlurnen und ihrer Anordnung in einer die geheime Stimmabgabe gewährleistenden Weise.
Informationsveranstaltung für internationale Wahlbeobachter aus Deutschland
Darüber hinaus fand am 9. 10.24 in der usbekischen Botschaft zu Berlin eine Informationsveranstaltung für die deutschen Wahlbeobachter durch Mitglieder der Zentralen Wahlkommission Usbekistans statt.
Zu observierende Wahllokale und Betreuung:
Aus einer Gesamtzahl von 631 Wahllokalen waren mir zur Wahlbeobachtung 3 Wahllokale für den Wahltag zugeteilt worden:
Zwei Lokale in Buchara und eines in Afschana bei Buchara. Mein Betreuer war Professor Shukrat Jumayevich Teshayev, Rektor des Staatlichen Medizinischen Institutes „Avicenna“ des Gesundheitsministeriums der Republik Usbekistan in Buchara.
Ablauf:
25.10.24, Begrüßung durch den Gesundheitsminister der Republik Usbekistan:
Am Tage nach meiner Ankunft in Tashkent wurde ich durch Herrn Isoev Achmad Rachmatovich vom Wissenschaftlich – Praktischen Zentrum der Republik Usbekistan für Innere Medizin und Rehabilitation zum Gesundheitsminister der Republik Usbekistan, S.E. Asilbek Anvarovich Khudayarov, begleitet.
In seinen Begrüßungsworten führte der Minister aus, dass die Entwicklung des Gesundheitswesens neben dem Ausbildungswesen eine der höchsten Prioritäten des Präsidenten der Republik Usbekistan, S.E. Shavkat Mirziyoyev, sei. Dabei stünde die Zusammenarbeit mit deutschen Medizinern und deutschen Wissenschaftlern sowie der deutschen Arzneimittel – und Medizinprodukte – Industrie mit an höchster Stelle der Agenda.
In meiner Antwort dankte ich dem Minister für seine Unterstützung der Arbeit der Deutsch – Usbekischen Medizingesellschaft Koch – Avicenna, die durch die persönliche Teilnahme des Ministers am „Second German – Uzbek Health Forum“ in Berlin am 18./19. April 2024 ihren bisherigen Höhepunkt erreicht habe, und gab meiner Überzeugung Ausdruck, dass aus der Zusammenarbeit im Gesundheitswesen zwischen dem Zentralland von Zentralasien, Usbekistan, und dem Zentralland der EU, Deutschland, große Vorteile für beide Länder zu erwarten seien. Der Besuch von Bundeskanzler Scholz am 16.09.24 in Samarkand habe die Grundlagen für verbesserte Formen und Themen der Zusammenarbeit geschaffen. Auch die Berliner Ausstellung zu Kultur und Geschichte von Usbekistan im Frühjahr 2023 sei ein wichtiger Meilenstein in dieser Richtung.
Mit Stolz und als Verpflichtung trage die deutsch – usbekische Medizingesellschaft den Namen des hochbedeutenden usbekischen Arztes Abu Ali Ibn Sinha (980 – 1037), im westlichen Sprachgebrauch Avicenna, in ihrer Vereinsbezeichnung.
Das Gespräch wurde durch den Leiter der Abteilung für Internationale Beziehungen, Herrn Mavlon M. Mamirov, übersetzt.
27.10.24, Wahltag:
Der Wahltag begann mit der Begrüßung durch den Gouverneur der Region Buchara, S.E. Zaripow Botir Kamilowitsch. Anschließend an seine Begrüßungsworte kam er auf die Reformbestrebungen unter der Regierung des Präsidenten Shavkat Mirziyoyev zu sprechen und hob in diesem Zusammenhang die Zusammenarbeit mit Deutschland im Gesundheitswesen als prioritär hervor.
Die von mir zu inspizierenden 3 Wahllokale waren:
- Staatliche Universität Buchara (Rektor: Prof. Obidshon Khamidow);
- Medizinisches Technikum Buchara;
- Bibliothek des Technikums Ali Abu Sina in Afschana.
Beobachtungen:
Die Ausstattung und die Anordnung der handelnden Personen entsprachen in den drei der besuchten Wahllokale den Vorgaben der Broschüre „Guidelines for (International) Observers“ und damit internationalen Standards.
In jedem Wahllokal wurden nach Empfang durch den Leiter des Wahllokals meine Identität (Reisepass) geprüft und mein Name auf der dort vorhandenen Liste der registrierten internationalen Wahlbeobachter abgehakt.
Anschließend konnte ich mich frei in dem jeweiligen Wahllokal bewegen und das Verhalten von Wähler/innen und aufsichtsführendem Personal studieren.
Die Wähler/innen wurden auf den vorliegenden alphabetischen Wählerlisten abgehakt. Bevor sie sich in die Kabinen begaben, wurden ihnen die Wahlzettel ausgehändigt.
Die Kabinen erlaubten ein unbeaufsichtigtes Ankreuzen Stimmzettel, eine tatsächliche oder versuchte Einflussnahme auf die Wähler war in keinem Falle festzustellen.
II.
Weitere Aktivitäten:
Neben meiner eigentliche Aufgabe, der Wahlbeobachtung, hatte die usbekische Seite für mich weitere Termine vorgesehen:
25.10.24, Tashkent:
Teilnahme an dem Roundtable des usbekischen Außenministeriums „Foreign Policy of Uzbekistan: Openness and Prosperity for Peace“
Als eingeladener Gast des Aussenministeriums nahm ich als Zuhörer an dieser Veranstaltung teil.
Leitende Mitarbeiter trugen zu den Themen: „A New Era of Diplomacy“, „Cooperation of Uzbekistan with Central Asian Countries“, „Regional Growth and Global Engagement“, „Uzbekistan´s Multilateral Leap“, „A Platform for International Dialogue“, „A Commitment to Stability“ und „A Vision for the Future“ vor.
Dem Leiter der Veranstaltung, Herrn Sodiq Safoev, Erster Vizepräsident das Senats der Republik Uzbekistan, konnte ich persönlich die Ziele der Deutsch – Usbekischen Medizingesellschaft Koch – Avicenna erläutern und den positiven Einfluss dieses Kooperationsprojekts auf das Verhältnis zwischen deutscher und usbekischer Zivilgesellschaft schildern.
Besuch der Usbekischen Öffentlichen Stiftung für Medizin „Avicenna“
Der Vorsitzende, Prof. Nozimkhon Makhmudov, gab seinem Interesse an einer Zusammenarbeit mit Deutschland deutlichen Ausdruck und kündigte an, ein Memorandum of Understanding zur Zusammenarbeit mit der DUMG – KA zeitnah auf den Weg zu bringen. Die Unterzeichnung des Dokuments soll in der usbekischen Botschaft zu Berlin stattfinden.
27.10.24, Buchara:
Besuch des Staatlichen Medizinischen Institutes „Avicenna“ des Gesundheitsministeriums der Republik Usbekistan in Buchara (Rektor: Prof. Shukrat Jumayevich Teshayev):
Diese hochmoderne Hochschule der Medizin bietet alle Möglichkeiten moderner Hochschulausbildung in der Medizin . Besonders beeindruckend ist die voll digitalisierte Bibliothek, die allen Studierenden den Zugriff auf Literatur rund um die Uhr ermöglicht.
An den Rundgang schlossen sich ein kurzer Gruß an die Studentenschaft im Lesesaal und ein Gespräch mit dem Lehrkörper an.
Besuch des Avicenna – Museums in Afshana:
Dieses Museum in der Geburtsstadt von Avicenna (geboren 980 in Afshana), illustriert und dokumentiert ausführlich die grundlegende Bedeutung von Avicenna für die Weltmedizin. Fast hatte man Eindruck, dass Avicenna neben dem Islam als Religion und der Person des Präsidenten als des maßgeblichen Verantwortlichen für den politischen Erfolg und das Wohlergehen des Landes die ausschlaggebende Instanz für gesunde, naturgemäße Lebensführung ist.
III.
Resümee:
Die Wahlen, bei denen ich als Wahlbeobachter teilnahm, entsprachen internationalen Standard. Die sehr sorgfältig ausgearbeitete Broschüre „Guidelines for International Observers“ erwies sich als sehr hilfreich in der Beurteilung der Wahlvorgänge. Es wurden von mir keine Abweichungen von den dort niedergelegten Abläufen festgestellt.
Usbekistan stellte sich in meiner Wahrnehmung als ein aufstrebendes, jugend- und zukunftsorientiertes Land in Zentralasien dar, das einen berechtigten Führungsanspruch für diese Region erhebt.
Die Bemühungen des Präsidenten Mirziyoyev, dem Land nach seiner Öffnung im Jahre 2016 internationale Anerkennung zu verschaffen und es so zu entwickeln, so dass es kulturell, wissenschaftlich und wirtschaftlich eine Führungsrolle in Zentralasien einnimmt, verdienen, als glaubwürdig angesehen und damit unterstützt zu werden. Diese Bemühungen laden zu Kooperationen ein.
Für mich als Verfasser dieser Zeilen war es eine Ehre, mich als Wahlbeobachter unterstützend in diesen Prozess einzubringen. Die Anerkennung der Arbeit der Deutsch – Usbekischen Medizingesellschaft Koch – Avicenna e.V. ist uns ein Anreiz, die Anstrengungen zum beiderseitigen Wohle des deutschen und des usbekischen Volkes zu verstärken.
Dank:
Mein Dank gilt dem Botschafter der Republik Usbekistan in Deutschland, S.E. Dilshod Akhatov dafür, dass er mich für die Aufgabe eines Wahlbeobachters vorgeschlagen hat, sowie dem 2. Botschaftssekretär, Herrn Sherzod Hasanov, für die kontinuierliche Betreuung vor und während der gesamten Reise.
Ferner danke ich sehr herzlich Herrn Mavlon M. Mamirov von der Abteilung für Außenbeziehungen des Gesundheitsministeriums der Republik Usbekistan, für seine kompetente Übersetzung des Gespräches beim Gesundheitsminister, Herrn Professor Shukrat Jumayevich Teshayev vom Staatlichen Medizinischen Institut „Avicenna“ in Buchara sowie Herrn Isoev Achmad Rachmatovich vom Wissenschaftlich – Praktischen Zentrum der Republik Usbekistan für Innere Medizin und Rehabilitation in Tashkent für ihre engagierte Betreuung während meines gesamten Aufenthaltes.
Berlin, den 06.11. 2024
Prof. Dr. med. Helmut Hahn)